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Im Doppelpack: Leucin plus Fischöl zur Prävention/Therapie der Sarkopenie im Alter?


Der Erhalt der Muskelmasse und -funktion im Alter ist wegen der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft von allgemeinem Interesse, vorwiegend bezogen auf Mobilität, Unabhängigkeit und Lebensqualität der Bevölkerung. Nach bisherigen Daten benötigen ältere Erwachsene ~0,4 g Protein/kg KG/Hauptmahlzeit für eine maximale Stimulation der myofibrillären Proteinsynthese, d.h. ~67% mehr als jüngere (0,24 g/kg/Mahlzeit) (Moore et al. 2015). Typischerweise verzehren Ältere suboptimale Proteinmengen zum Frühstück und Mittagessen (~0,1-0,3 g/kg/Mahlzeit) (Tieland et al. 2015, Hone et al. 2020), Basis einer negativen Muskeleiweißbilanz. Studien bei älteren Erwachsenen berichten eine Steigerung der muskulären Proteinsysnthese durch die Zugabe der Aminosäure Leucin (Murphy et al. 2016), was im Langzeitversuch zu einer Vermehrung der Muskelmasse und -kraft bei gesunden und sarkopenen Älteren führt, dies interessanterweise auch ohne begleitendes körperliches Training (Chanet et al. 2017, Bauer et al. 2015). Weiterhin führen auch langkettige mehrfach ungesättigte n-3-Fettsäuren aus Fischöl bei älteren Männern und Frauen mit sitzender Lebensweise zu vermehrter Muskelmasse und -kraft bei Steigerung der Empfindlichkeit des älteren Muskelgewebes für Aminosäuren.

In der referierten Studie von Murphy, CH et al. (2021) sollte daher überprüft werden, ob die appendikuläre Muskelmasse und -kraft sowie die physikalische Leistungsfähigkeit bei Älteren gegenüber dem Effekt einer alleinigen Leucin-Supplementation durch begleitende n-3-Fischöl-Gabe weiter gesteigert werden kann. Von Dr. W. Burghardt

Eine irische Arbeitsgruppe untersuchte in einer 24-wöchigen, dreiarmigen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie 107 gesunde Männer und Frauen ≥ 65 (im Mittel 70-73) Jahre mit niedriger Muskelmasse und/oder -kraft i.S. eines Sarkopenierisikos (mittlerer BMI 24,8-26,7 kg/m², körperliche Aktivität im Mittel 8192-8354 Schritte/d). Zweimal täglich erfolgte in Ergänzung zur normalen Ernährung der Verzehr eines Protein-Supplements mit Leucin (3 g Leucin, 10 g Protein; LEU-PRO; n=38) allein oder in Kombination mit langkettigen n-3-PUFA (0,8 g EPA, 1,1 g DHA; LEU-PRO+n-3; n=31) im Vergleich zu einer isoenergetischen Kontrollgruppe (n=31). Gemessen wurden neben einer Vielzahl weiterer Parameter (u.a. Ernährung, Fettmasse, Fettsäureprofil, biochemische Parameter der metabolischen und renalen Funktion) die appendikuläre Magermasse (Extremitätenmuskulatur, DXA), die Hand- und Beinkraft, die physikalische Leistungsfähigkeit, daneben in einer Untergruppe die myofibrilläre Proteinsynthese im Beinmuskel (Deuterium-Methode). Die Tests erfolgten zum Zeitpunkt 0, 12 und 24 Wochen, Muskelbiopsien nur am Anfang und Ende der gesamten Studie.

Im Ergebnis hatte weder die LEU-PRO- noch die LEU-PRO+n-3-Supplementation Einfluss auf die appendikuläre Magermasse, Handkraft, Kraft der Kniestreckung, physikalische Leistungsfähigkeit oder myofibrilläre Proteinsynthese, die maximale Kraft der isometrischen Kniebeugung in der Kombinationstestgruppe war zu Testende sogar gegenüber Kontrollen reduziert. In der Kombinationsgruppe waren Serum-Triglyzeride und Plasma-Adiponectin erniedrigt, HOMA-IR (Insulinresistenz) war erhöht. Die glomeruläre Filtrationsrate war höher, Cystatin C niedriger in beiden Supplementationsgruppen.

Das Resultat dieser nach Einschätzung der Autoren ersten Studie mit einer kombinierten Supplementation von Leucin und Fischöl zur Prävention/Therapie einer Sarkopenie im Alter ist enttäuschend. Nach 24-wöchiger Supplementation mit Leucin-angereichertem Protein allein oder in Kombination mit langkettigen n-3-ungesättigten Fettsäuren konnte entgegen den Erwartungen bei älteren Erwachsenen mit erhöhtem Sarkopenierisiko keine Verbesserung der Masse oder Kraft der Extremitätenmuskulatur und keine verbesserte Muskeleiweißsynthese festgestellt werden. Neben der Maximalkraft bei der Kniebeugung war auch der Sit-to-Stand-Test, ein etablierter Standard für die physikalische Performance, in der Kombinationsgruppe schlechter (nicht jedoch in der Gruppe mit alleiniger Leucin-Supplementation).

Aus der Literatur (Smith et al. 2015, Hutchins-Wiese et al. 2013) sind bei vergleichbaren Kollektiven und vergleichbarer Versuchsdauer positive Ergebnisse auf Muskelkraft und -masse durch Supplementation mit langkettigen n-3-ungesättigten Fettsäuren bekannt, aber auch fehlende Effekte bei bis zu 3-jähriger n-3-Fettsäuren-Supplementation (Rolland et al. 2019, Bischoff-Ferrari et al. 2020), wobei allerdings niemals ungünstige Effekte berichtet wurden.

Erklärend könnte nach Ansicht der Autoren sein, dass in der referierten Studie die Kontrollgruppe im Untersuchungszeitraum unerwartet an Kraft im Kniebeugungstest zugelegt hatte, dass auf der anderen Seite bei Studienbeginn die Kombinationsgruppe ein höheres Risikoprofil aufwies (höherer BMI, höhere Fettmasse und HOMA-IR, gering erhöhte Inflammationszeichen, alles i.S. einer erhöhten Insulinresistenz).

Ein ausbleibender Effekt einer Leucin-Supplementation auf die appendikuläre Magermasse, Muskelkraft oder Leistungsfähigkeit wurde bereits in anderen doppelblinden RCTs mit Supplementation von Leucin, essenziellen Aminosäuren und/oder Eiweiß bei älteren inaktiven Erwachsenen gesehen. Der in der aktuellen Untersuchung gegebene basale Eiweißverzehr von 1,0-1,2 g/kg KG/d entspricht der Eiweißmenge, die zum Erhalt der Muskelmasse bei gesunden älteren Erwachsenen empfohlen wird. So könnte die Supplementation mit Leucin-angereichertem Protein keinen zusätzlichen Effekt gehabt haben. Andererseits war der basale Leucinverzehr zu den Mahlzeiten (zum Frühstück ~1,5 g, zum Mittagessen ~2 g) suboptimal und konnte durch die Supplementierung auf ~3,5-4 g pro Mahlzeit gesteigert werden, was der Leucin-Dosierung mit maximalem Effekt auf die Stimulierung der myofibrillären Proteinsynthese entspricht. Interessanterweise liegen auch doppelblinde RCTs vor, die bei einer Proteinbasisversorgung von 1-1,3 g/kg Verbesserungen von Muskelmasse und/oder Leistungsfähigkeit nach Supplementierung mit Leucin (3 g Leucin, 20 g Protein) plus Vitamin D (20 µg) einmal täglich bei gesunden und zweimal täglich bei sarkopenen älteren Erwachsenen zeigen (Chanet et al. 2017, Bauer et al. 2015). Insofern mag die Vitamin-D-Komponente den Unterschied zum fehlenden Leucin-Effekt der aktuellen Studie ausgemacht haben.

Der in der aktuellen Studie ausgebliebene Effekt von Leucin allein und Leucin plus n-3-Fischöl auf die myofibrilläre Proteinsynthese war von anderen Autoren mit höheren Leucin-Protein-Dosen (Leucin 5 g/Mahlzeit 3 x täglich, bzw. 4,2 g Leucin und 15 g Protein 2 x täglich) dagegen gesehen worden (Murphy et al. 2016, Devries et al. 2018), teilweise allerdings nur in Kombination mit Krafttraining. Insofern sollte bei fehlender Möglichkeit solchen Trainings eine höhere Leucin/ Leucin-Protein-Dosis eingesetzt werden. Der Einfluss einer schwierigeren Muskelbiopsie bei älteren Erwachsenen mit Einfluss auf die Analyse der myofribrillären Eiweißsynthese muss ebenfalls berücksichtigt werden. Möglicherweise auch reagieren Subgruppen älterer Erwachsener unterschiedlich auf eine Supplementation mit Leucin plus n-3-Fischöl, was in Folgestudien zu berücksichtigen wäre.

In jedem Falle bleibt die Erkenntnis, dass ein einfaches Anhäufen von viel versprechenden Ernährungsfaktoren (Leucin-angereichertes Protein und Fischöl-Supplemente), gar noch ohne wesentliche körperliche Aktivität, nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung des sarkopenen Risikos im Alter führt.