Blutfette, kardiovaskuläre Erkrankung und Mortalität – Eiverzehr neuerlich entlastet
Eine Studie von Dehghan M, Mente A, Rangarajan S et al., on behalf of the PURE investigators. Association of egg intake with blood lipids, cardiovascular disease, and mortality in 177,000 people in 50 countries. Am J Clin Nutr 2020; 111: 795-803.
Zusammengefasst von Dr. Walter Burghardt.
Eier enthalten viele essentielle Nährstoffe, aber auch Cholesterin. Einige Leitlinien schränken den Eiverzehr zur Prävention von Dyslipidämien und kardiovaskulärer Morbidität ein, doch dies ist umstritten.
Untersucht wurden in einer internationalen prospektiven Studie (Prospective Urban Rural Epidemiology, PURE) 146.011 Personen, in zwei weiteren multinationalen prospektiven Studien (Ongoing Telmisartan Alone and in Combination with Ramipril Global End Point Trial, ONTARGET; Telmisartan Randomized Assessment Study in ACEI Intolerant Subjects with Cardiovascular Disease, TRANSCEND) 31.544 Patienten. Die Daten wurden mittels validierter Fragebögen über das Verzehrverhalten im vorangegangenen Jahr ermittelt, eine Adjustierung erfolgte in der PURE- (und vergleichbar in der ONTARGET- und TRANSCEND-Studie) für Alter, Geschlecht, Rauchverhalten, Wohnort, Erziehung/Bildung, körperliche Aktivität, Diabetesanamnese, Verzehr von Obst, Gemüse, rotem Fleisch, Geflügel und Fisch sowie für die tägliche Energiezufuhr und deren Kohlenhydratanteil.
In der PURE-Studie (Start 2003, Follow-up bis 2019) wurden 8.932 Todesfälle und 8.477 kardiovaskuläre Ereignisse gezählt. Dabei war ein hoher Eiverzehr (≥7 Eier/Wo vs. <1 Ei/Wo) wie auch ein gradueller Anstieg des Eiverzehrs nicht signifikant assoziiert mit Blutfetten (Ges-C 4,89 ± 0,05 vs. 4,90 ± 0,05 mmol/l, p-trend = 0,24; LDL-C 3,08 ± 0,05 vs. 3,07 ± 0,05 mmol/l, p-trend = 0,44; HDL-C 1,20 ± 0,02 vs. 1,21 ± 0,02 mmol/l, p-trend = 0,25; TG 1,54 ± 0,04 vs. 1,57 ± 0,04 mmol/l, p-trend = 0,90; ApoB 1,02 ± 0,02 vs. 1,01 ± 0,02 mmol/l, p-trend = 0,06), der Gesamtheit von kardiovaskulären Ereignissen und Todesfällen (HR 0,96; 95%-CI 0,89-1,04; p-trend = 0,74), der Gesamtmortalität (HR 1,04; 95%-CI 0,94-1,15; p-trend = 0,38) oder größeren kardiovaskulären Ereignissen wie Myokardinfarkt, Schlaganfall oder Herzinsuffizienz (HR 0,92; 95%-CI 0,83-1,01; p-trend = 0,20). Vergleichbare Daten ergaben sich aus den ONTARGET/TRANSCEND-Studien (Start 2002-2003 bzw. 2001-2004, mittleres Follow-up 56 Mo) für die Gesamtheit von kardiovaskulären Ereignissen und Todesfällen (HR 0,97; 95%-CI 0,76-1,25; p-trend = 0,09), für die Gesamtmortalität (HR 0,88; 95%-CI 0,62-1,24; p-trend = 0,55) und für größere kardiovaskuläre Ereignisse (HR 0,97; 95%-CI 0,73-1,29; p-trend = 0,12). In der PURE-Studie war der höhere Eiverzehr mit einem niedrigeren systolischen und diastolischen Blutdruck assoziiert (131,4 ± 0,75 vs. 132,7 ± 0,74 mmHg, p-trend <0,001 bzw. 82,6 ± 0,62 vs. 83,6 ± 0,62 mmHg, p-trend <0,001).
In 3 großen internationalen (50 Länder, 6 Kontinente) prospektiven Studien mit Einschluss von ~ 177.000 Personen, 12.701 Todesfällen und 13.658 kardiovaskulären Ereignissen fanden sich keine signifikanten Assoziationen zwischen Eiverzehr (≤1 bis ≥7/Wo) und Blutfetten, größeren kardiovaskulären Ereignissen und Mortalität. Moderater Eiverzehr (1 Ei/Tag) erhöhte nicht das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankung oder Sterblichkeit bei Personen mit oder ohne Vorgeschichte mit kardiovaskulärer Erkrankung oder Diabetes. Auch fand sich keine signifikante Beziehung zwischen Nahrungscholesterin und Blutfetten. In der PURE-Studie, allerdings nicht in den beiden anderen Studien, fand sich sogar eine Assoziation zwischen höherem Eiverzehr und niedrigerem Risiko für Myokardinfarkt.
Die Gesamtheit von bisherigen Beobachtungsstudien, randomisierten Untersuchungen und Tierstudien zeigt einen geringen Effekt von Nahrungscholesterin auf Blutfette, kardiovaskuläre Erkrankung oder Mortalität. In den amerikanischen Leitlinien 2015-2020 wurde die Beschränkung auf 300 mg Nahrungscholesterin pro Tag bereits entfernt. Eine Kommission für gesunde Ernährung (EAT-Lancet 2019) empfahl kürzlich zwar eine Beschränkung auf 1,5 Eier/Wo, betonte aber, dass ein höherer Eiverzehr eine Kost minderer Qualität, wie sie oft von Personen mit geringem Einkommen verzehrt werde, aufbessern könne.
Eine fehlende Assoziation zwischen moderatem Eiverzehr (1 Ei/Tag) und gesundheitlichem Outcome wurde bereits in der Mehrheit bisheriger Untersuchungen einschließlich Metaanalysen berichtet, so in der Health-Professionals-Follow-Up-Studie (n = 37.851) und in der Nurses’-Health-Studie (n = 80.082). Demgegenüber fand eine kürzliche Auswertung der Daten der China-Kadoorie-Biobank (Qin et al. 2018) eine Assoziation zwischen höherem Eiverzehr und niedrigerem kardiovaskulärem Risiko, eine Studie aus den USA eine Assoziation mit einem höheren kardiovaskulären Erkrankungs- und Mortalitätsrisiko (Zhong et al. 2019), wobei in letzterer Untersuchung allerdings der Befund erniedrigter Non-HDL-Cholesterin- und systolischer Blutdruckwerte zu diesem Ergebnis kontrastiert. Die unterschiedlichen Untersuchungsergebnisse sind nicht ohne Weiteres erklärbar, die Studienautoren diskutieren Effekte der Basisernährung und eine durch den höheren Eiverzehr erreichte Veränderung der Eiweißqualität.
Der fehlende Nachweis einer ungünstigen Wirkung des Eiverzehrs in den referierten Studien gilt für gesunde Individuen wie auch für solche mit manifester vaskulärer Erkrankung, unabhängig von Art oder Kombination einer Medikamenteneinnahme. Während Teilnehmer der PURE-Studie vorwiegend aus Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen stammten, waren die Teilnehmer der ONTARGET- und TRANSCEND-Studie mehrheitlich aus Ländern mit mittlerem und hohem Einkommen. Insofern bildet die referierte Studie ein großes Spektrum an Ernährungsqualität, sozioökonomischem Status und Lebensstil ab.
Nahrungscholesterin hat nur einen moderaten Einfluss auf die Blutspiegel von Gesamt- und LDL-Cholesterin, während die Phospholipide in Eiern die HDL-Cholesterinspiegel im Blut anheben. Der Effekt des Eiverzehrs hängt auch vom Ernährungsstil unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen ab (z.B. kohlenhydratarme- oder -reiche Kost). So bessert eine Ergänzung des Kohlenhydratangebots durch Eiweißsubstitution das Lipidprofil im Blut, senkt den Blutdruck und in der Folge das kardiovaskuläre Risiko. Zudem können die Phospholipide aus Eiern bei übergewichtigen und adipösen Individuen antiinflammatorische Effekte entwickeln.