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Der besondere Fall – chronische Entzündungen

Patientendaten:

Patientin:  weiblich, verheiratet

Geb.: 14. März 1972

Beruf: Sachbearbeiterin in Anwaltskanzlei

Nikotin: 5 –6 Zigaretten/d, Alkohol: gelegentlich ein Glas Wein,

Körperliche Aktivität: Gelegentlich am Wochenende Radfahren

 

Anamnese/ Fallbeschreibung:

Eine Rheumatoide Arthritis wurde vor 10 Jahren diagnostiziert, seither mit MTX, derzeit 25 mg /Woche i.m. unzureichend kontrolliert. Schubförmige Arthritiden betrafen die Grundgelenke der Finger und Zehen 1-3. Ergometrisch wurde sie beraten und hat die notwendigen Hilfsmittel, so dass sie die Hauarbeit meist bewältigen kann. Linksseitige Thoraxschmerzen hatten die Patientin vor 4 Wochen zum Arztbesuch veranlasst, der sie zum Kardiologen weiterleitete. Eine höhergradige kurzstreckige Abgangsstenose der linken Coronararterie wurde mit Stent versorgt. Seither ist sie unter Lipidsenker, Faktor Xa-Inhibitor und ß-Blocker klinisch beschwerdefrei. Eine AIT wurde vor 2 Jahren festgestellt, die Schilddrüsenwerte sind im Referenzbereich. Von Zeit zu Zeit fällt ihr das Kauen schwer, da sie dabei Schmerzen hat. Eine trockene Semmel kann sie nicht essen. Das Einkaufen fällt ihr schwer, da sie schwere Taschen nicht tragen kann. Die ungewollte Gewichtzunahme hat sie dazu veranlasst den seit einem halben Jahr geübten Nikotinverzicht wieder aufzugeben.

 

Befunde und Diagnosen:

Befund: 164 cm, 84 kg, BMI 31,2 kg/m2, sie war immer übergewichtig, unter der Therapie mit Cortison Gewichtszunahme in den Adipositasbereich. Druckschmerz und Schwellung der Finger und Zehen Grundgelenke 1 –3 beidseits, Druckschmerz der Hand- und Kniegelenke. Handkraft rechts 25 kg, links 18 kg. Schilddrüse gering vergrößert tastbar.

Labor: Blutbild: Hb 11,5 g% (13,5–17,5), MCV 82 fl (80–95,5), MCH 26,2 pg (27,6–32,8), Eisen 24 µg/dl (80–180), Ferritin 305 µg/l (30–300), Immunologische und Entzündungs-Parameter: CRP(hs) 2,0 mg/dl (<0,50), ANA pos., SSA-Ro Ag neg., ACPA pos. TRAK negativ, TPO-AK (MAK) 112 IU/ml (<34 IU/ml), TG-AK (TAK) 307 IU/ml (<100 IU/ml), Osteoporose-relevante Parameter: Albumin 3,4 g/dl (3,5–4,5), alkalische Phosphatase (AP) 130 U/l (40–130), 25-Hydroxy-Vitamin-D3 2,0 ng/ml (>20 ng/ml)

Plasmalipide unter Therapie im Referenzbereich, ebenso Schilddrüsenfunktion (TSH), Nierenwerte, Elektrolyte, Harnsäure, Leberwerte, Lipase, Glukose im Normbereich, Urinstatus unauffällig.

Medikamente: MTX 25 mg wöchentlich i.m., Eliquis 5 mg 1 – 0 – 1, Bisoprolol 5m/d, Atorvastatin 20 mg/d, Kurzfristigen Therapieversuch mit Eisen überlegen, Vit. D+K 4000 IE/d und Laborkontrolle in 4 Wochen, Ziel 60 ng/ml.

Diagnosen:

  • Rheumatoide Arthritis unzureichend therapiert, mit Beteiligung des Kiefergelenks, und peripherer Gelenke
  • gestörte Greiffunktion beider Hände, eingeschränkte Gehstrecke durch Befall der Füße
  • Sjögren-Syndrom
  • Autoimmunthyreoiditis (AIT)
  • Sideroachrestische Anämie, Anämie der chronischen Krankheiten, möglicherweise kombiniert mit Eisenmangel
  • v.a. Familiäre Hypercholesterolämie, KHK
  • Vitamin D Mangel, drohende Osteoporose
  • Nikotinabusus

 

Ernährungstherapeutische Intervention:

Entzündungshemmende Ernährung: vegetarisch orientiert mit pro Woche 2 Fleisch – und zwei Fischmahlzeiten, < 4 Eier, Vegetarische Gerichte an den übrigen Tagen. Omega-3 reiche Öle  verwenden wie Rapsöl, Lein(dotter)-Öl, Walnussöl, „bunt“ essen nach den DGE-Empfehlungen.

Osteoporose-Prophylaxe mit täglich ½ Liter fettreduzierte Milch bzw. Milchprodukte, Vitamin D supplementieren und Kontrolle des 25-Hydroxy-Vitamin-D3, Bewegung an der frischen Luft, selenreiche Kost (z. B. Nüsse, Kokos) oder Selen 50μg/d supplementieren.

DGE-Richtlinien beachten: drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst täglich, möglichst die Hälfte davon als Rohkost, schonende Garverfahren verwenden (z. B. Dünsten, Drucktopf, Römertopf)

Gewichtsreduktion in den unteren Übergewichtsbereich (BMI ~ 27 kg/m2) durch Reduktionskost (Beginn mit 2000 kcal/d = -500 kcal einsparen) um Muskelabbau gering zu halten. Cave: Durch eingeschränkte Kaufunktion Mangelernährung (PEM Protein-Energy-Malnutrition) möglich.

Kontrollen: Mit Rheumatologen kooperieren (Änderung der Basistherapie? oder Wirkung der Ernährungstherapie abwarten?). Die Anämie ist wegen der Einnahme von NSAR ((Nicht-Steroidale-Antirheumatika) –  occulte Darmblutung) häufig durch einen Eisenmangel verstärkt. Eisen darf aber nicht unkontrolliert gegeben werden, da es sonst die Entzündung verstärkt. Kardiologische Therapie fortführen.

Lifestyle: Nikotinkonsum beenden, Körperliche Aktivität langsam steigern, Schrittzähler tragen und langsam auf 10000 Schritte oder Äquivalent Radfahren pro Tag steigern. Sozialen Rückzug sowie Stress und Hektik vermeiden

 

Das besondere an dem Fall

  1. Eine chronische Entzündung begünstigt Folgeentzündungen
    • Hier: Rheumatoide Arthritis → Arteriosklerose, KHK, Sjögren-Syndrom und AIT (Autoimmunthyreoiditis)
  1. Eine stille Entzündung verschlechtert den Verlauf und die Prognose der chronischen Entzündung
    • Hier: Adipositas verschlechtert den Verlauf (Medikamentenbedarf steigt) und die Folgen (Gelenkdestruktion) der Autoimmunerkrankung
  1. Die chronische Entzündung hat Stoffwechselwirkung
    • Hier: die Osteoporose wird begünstigt

Ernährungsberatung

  1. Diätetische Entzündungshemmung mit den ADA-Maßnahmen (Alle Diätetischen Anti-entzündlichen Maßnahmen) (1)
  2. Gewichtsreduktion vermindert stille Entzündung (2)
  3. Osteoporose Prophylaxe kann Autoimmunerkrankungen bessern (3). (Vitamin D3 bei Mangel 2000 bis 4000 I.E., mit Vitamin K bei aktiver chronischer Entzündung (cave Therapie mit Vitamin K Antagonisten), 1000 mg Kalzium Gesamtzufuhr täglich, Bewegungstherapie) (4)

 

Zusammenfassung/Schlussfolgerung:

Die entzündungshemmende Kost muss 3 Monate eingehalten werden bis das Verhältnis der Arachidonsäure / EPA unter 5 in den Erythrozytenlipiden erreicht ist. Mit dem Ernährungsrechner www.ernaehrungsrechner.de soll in dieser Zeit die Kost auf das wünschenswerte Verhältnis der PUFA eingestellt werden.

Autoimmunerkrankungen treten häufig in Kombination auf, wie bei dieser Patientin. Weitere häufige Kombinationen sind CED Chronisch-Entzündliche-Darmerkrankungen), Zöliakie, Diabetes mellitus Typ 1 u.a.. Durch konsequente Hemmung der Entzündung können deren Folgen, wie Gelenkschäden, Arteriosklerose und AIT vermieden werden.

Fall eingereicht von:
Prof. Dr. med. Olaf Adam

Literatur:

  1. Adam O.: Praxishandbuch Ernährungsmedizin: Rubin / Winckler (Hrsg.), Urban & Fischer, Kap 19,2023, ISBN 978-3-437-23016-5
  2. Adam O.: Diät & Rat bei Rheuma und Osteoporose, Hädecke Verlag GmbH. ISBN 978-3-7750-0770-2,
  3. Lemke D, Klement RJ et al.: Vitamin D Resistance as a Possible Cause of Autoimmune Diseases. Front Immunol. 2021 Apr 7;12:655739. doi: 10.3389/fimmu.2021.655739.
  4. Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose, Leitlinie des Dachverbands der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften e.V. 2023