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Der besondere Fall – Onkologie

Patientendaten (z.B. Geschlecht, Alter, Beruf, Rauchen, Alkohol, Sport):

  • Patientin, weiblich.
  • Geb.: 28.08.1961
  • Beruf: Sekretärin in der Firma des Ehemannes
  • Nikotin: ca. 30-40 Zig/Tag, seit  etwa 30 Jahren, in den letzten Wochen vor Erstvorstellung etwas weniger
  • Vorstellung Mai 2024 bei der Hausärztin aufgrund diffuser Knochenschmerzen

 

Anamnese/ Fallbeschreibung (z.B. aktuelle Beschwerden, Krankheitsverlauf):

  • Vorstellung 05/2024 bei der Hausärztin aufgrund diffuser Knochenschmerzen und klinischer Verschlechterung; Laufen aufgrund der Beschwerden massiv eingeschränkt
  • 05/24 CT: Nachweis von Metastasen an Lunge, Leber, Knochen, Peritoneum
  • Vorstellung zur weiteren Abklärung und Therapie
  • Ernährungsmedizin 05/24: kein Gewichtsverlust, keine Magenernährung, BMI 24,8kg/m2 bei 1,58m und 62kg

 

Befunde und Diagnosen (z.B. Größe, Gewicht, Gewichtsverlauf, weitere anthropometrische Messungen, Klinische Symptomatik, Laborwerte, ernährungsmedizinische Untersuchungsbefunde, Medikamentenverordnung):

  • 05/24: ED eines Adeno-Carcinom, a.e. Lunge; histologisch G3, u.a. PDL-1 TPS 100%
  • 06/24: Therapieeinleitung (sog. Immunchemotherapie mit Pembrolizumab, Paclitaxel, Carboplatin), Gewicht 2 kg abnehmend seit 05/24 (akt.: 60kg)
  • bis 08/24 Therapien ambulant unter regelmäßiger Wiedervorstellung; zunehmende Inappetenz DD
  • durch Chemotherapie; Ausschluss Nebenwirkung durch Immuntherapie, daher Reduktion der Chemotherapiedosis. Gewichtsabnahme bis 55kg
  • 09/24 klinische Verschlechterung, Urlaub von Seiten der Patientin in Spanien gewünscht und geplant; daher Verschieben der Therapie bzw. Verlängerung des Therapieabstandes; Gewicht 52kg
  • 10/24 klinisch besser in Pause und nach Urlaub, Gewicht 2kg steigend (54kg), NW rückläufig Reduktion der Therapie auf Wunsch und bei NW auf eine alleinige Immuntherapie bei hohem Therapiewunsch trotz Nebenwirkungen (15.10.24: Port weiterhin abgelehnt, Ernährungstherapie insuffizient)
  • 04.11.24 notfallmäßige Aufnahme mit 43kg; frühere Vorstellung durch Patientin nicht gewünscht; massive klinische Verschlechterung und Vorliegen eines Kachexiesyndrom. Laborchemisch hohes CRP, Hypalbuminämie, massive Reduktion der Muskelkraft, path. Handkraftmessung; Port und ZVK abgelehnt; massiver Progress der Erkrankung
  • 13.11.24 nach Zustimmung Portanlage, ergänzende PE und auf expliziten Wunsch Therapie nach Umstellung der Chemotherapie bei noch bestehenden therapeutischen Optionen
  • 05.12.24 Entlassung in die häusliche Umgebung nach Umstellung der Chemotherapie, Einleitung  einer fast total parenteralen ergänzenden Ernährungstherapie, Physiotherapie und supportiven Maßnahmen

 

Ernährungstherapeutische Intervention (z.B. Ernährungsmedizinische Diagnose und Indikationsstellung, Ziele der Therapie, Energiebedarfsberechnung, Ernährungsverordnung und Durchführung der Therapie):

  • 05/24 und 06/24 bei ED und Therapieeinleitung: Ernährungsberatung bei 62kg zu eiweißreicher Ernährung mit Eiweiß-Ziel um 80-90g/Tag unter Hinzunahme von Eiweißpulver; Zufuhr KH im unteren Normalbereich, angereichter Fettanteil und Omega-3-FS in normalem Ausmaß unter Empfehlung entsprechender Nahrungsmittel; keine direkten Verbote (außer Grapefruit); Port-Anlage nicht gewünscht zur Immunchemotherapie
  • 09.07.24: stationäre Aufnahme, Gewichtsverlust ambulant auf 58kg; Besprechung Ernährungstherapie, ergänzender Supplemente; Beginn Trinknahrung; kurzfristige PE via ZVK oder Portanlage nicht gewünscht, PEG abgelehnt;
  • Entlassung 19.07.24 mit ONS, ca 300- 400kvcal/Tag ergänzend, gewünschte Energiemenge von ca. 1800kcal/Tag nicht erreichbar (etwa 1300kcal/Tag, aber Patientin überzeugt, zu Hause wird es besser); ONS mit NUR Cappuccino-Geschmack möglich
  • 08/24 55kg unter ONS (weiter fallend, Beratungen und Besprechungen, PORT abgelehnt)
  • 09/24 ausgeprägte NW unter Chemotherapie mit Inappetenz, Fatigue, Gewicht 52kg (weiter nur Ernährungstherapie plus ONS Cappuccino etwa 200-400kcal/Tag gewünscht); Urlaub
  • bis 10/24 im Urlaub unter verlängerter Therapiepause Gewichtszunahme 2 kg (kein Aszites, keine Ödeme) auf 54kg; Verzicht auf Chemotherapie, nur Immuntherapie aufgrund NW und Therapiewunsch; weiter kein Port, keine ergänzende Therapie (enteral/parenteral) zur Therapie mit ONS gewünscht
  • 04.11.24 notfallmäßige Aufnahme mit 43kg; frühere Vorstellung durch Patientin nicht gewünscht; massive klinische Verschlechterung und Vorliegen eines Kachexiesyndrom. Laborchemisch hohes CRP, Hypalbuminämie, massive Reduktion der Muskelkraft, path. Handkraftmessung; Port und ZVK abgelehnt; massiver Progress der Erkrankung; Nahrungsaufnahme etwa 500kcal/Tag zu Hause; Beginn Glucoselösung peripher plus ONS plus Ernährungsberatung und –therapie unter langsamer Steigerung der Energie aufgrund Gefahr Refeeding-Syndrom (etwa 700-800kcal/Tag); aber weiter unzureichende Energiezufuhr
  • 13.11.24 nach Zustimmung doch Portanlage, ergänzende parenterale Ernährung (PE), ONS und Ernährungstherapie (850kcal/Tag gesamt); Umstellung der Chemotherapie bei Therapiewunsch
  • ab 22.11.24 weitere Steigerung der Energiezufuhr bis 1300kcal/Tag (PE, ONS, Ernährung)
  • 24.11.24 Gewicht steigend auf 46,6kg seit Aufnahme
  • 27.11.24 Übelkeit nach Chemotherapie, Bronchitis, steigendes CRP, wieder fallendes Gewicht (43,4kg)
  • 02.12.24 Entlassung in die häusliche Umgebung nach Umstellung der Chemotherapie, Einleitung einer fast total parenteralen ergänzenden Ernährungstherapie (1280kcal/Tag), Physiotherapie und supportiven Maßnahmen

Besonderheiten:

  • Trinknahrung: NUR Cappuccino war verträglich, keine anderen Geschmacksrichtungen (Firmenwechsel, auch besondere Geschmacksrichtungen ohne Benefit)
  • Pudding- und Joghurtprodukte frustran
  • eigenwillige Patientinnenstruktur, Gewichtsbestimmungen teilweise abgelehnt
  • ab 08/24 keine Einnahme von Eiweißpulver mehr (subjektiv zu lästig)
  • bis 11/24 PEG und Port immer wieder abgelehnt
  • 13.11.24 Port und dann erstmal ergänzende suffiziente Ernährungstherapie
  • refraktäre Inappetenz und Übelkeit: Steroide, Olanzapin, Mirtazapin, Dronabinol frustran, Aromasticks angeboten, nicht von der Patientin besorgt

 

Zusammenfassung/Schlussfolgerung (weiterer Verlauf und kurze Zusammenfassung):

  • Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung präsentierte sich eine Patientin in noch klinisch stabilem Zustand, insbesondere auch ohne Zeichen einer unzureichenden Nahrungsaufnahme/ Mangelernährung.
  • Nach Therapieeinleitung kam es zu einer zunehmend unzureichenden Nahrungsaufnahme. Die Verträglichkeiten der Trinknahrungen waren schlecht, auch ein Wechsel der Firmenprodukte brachte keine Besserung. Beratungen für zu Hause mit Anreicherung der Speisen erfolgten mehrfach. Es kam weiter zu einer unzureichenden Nahrungsaufnahme, da die ergänzende Menge an Trinknahrung und eigenen Maßnahmen der Familie nicht ausreichend war. Die Patientin lehnte immer wieder eine Portanlage, eine stationäre Aufnahme und eine enterale/parenterale Ernährungstherapie ab. Erschwert wurde die Situation durch die Nebenwirkungen der Immunchemotherapie. Bei dann Reduktion der Therapie und bereits unzureichender Ernährungstherapie zeigt sich der Tumorprogress, der parallel zum klinischen Bild eines Kachexiesyndrom (CACS, Cancer-Anorexie-Cachexie-Syndrom) führte. Hierunter reduzierte therapeutische Optionen, zumal die Patientin auch hier initial einer ergänzenden Ernährungstherapie ablehnend ist. Nach Portanlage und mit Einverständnis der Patientin dann doch ergänzende Ernährungstherapie parenteral.
  • Obwohl von Beginn an eine Beratung bezüglich einer ergänzenden Ernährungstherapie erfolgte, war der Verlauf frustran. Es zeigt sich, dass die Inflammationsreaktionen durch den Tumor massiven Einfluss auf das Essverhalten haben. Verstärkt wird die Situation durch Nebenwirkungen der Therapie, parallel durch gastrointestinale Unverträglichkeiten und Geschmacksänderungen. Ein monotones Essverhalten kann, muss und sollte ggf. akzeptiert werden, führt aber möglicherweise zu einer Verschlechterung der Situation. Die mögliche Stigmatisierung durch einen Port oder eine PEG, die nach außen hin zeigen, dass eine schwere Erkrankung vorliegt, belasten einige Patienten ebenso. So wie hier ist dann aber die Ausweitung einer Ernährungstherapie kaum möglich.Die Behandlung onkologischer/hämatologischer Patienten kann eine besondere Herausforderung bieten. Erschwert werden unsere therapeutischen Möglichkeiten durch Nebenwirkungen und Patientenstruktur. Diese Patientengruppe sollte regelmäßig ernährungsmedizinisch betreut werden, wobei Screening und Gespräche/Anamnese im Vordergrund stehen.