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Buchrezension: Beyond Our Genes: Pathophysiology of Gene and Environment Interaction and Epigenetic Inheritance (Raffaele Teperino)

Im Vorwort bekundet der Editor, dass er ein Buch schreiben möchte, das nicht nur Experten, sondern auch Laien verstehen können. Der Untertitel lautet »Pathophysiologie der Interaktion von Genen mit der Umwelt und epigenetische Vererbung« und deutet damit bereits das ungeheure Spektrum und die Komplexität dieser gegenseitigen Beeinflussung hin. Das zeigt sich auf jeder Seite des Buches, indem der Leser langsam und verständlich
in die Geheimnisse der Epigenetik mitgenommen wird. Hervorragend gelungen ist die systematische Darstellung dieser Zusammenhänge, die so auch für den Laien gut verständlich und erfassbar werden.

Der erste Teil befasst sich mit den physiologischen Interaktionen von Genen mit der Umwelt. Dabei wird den epigenetischen Veränderungen durch die Ernährung ein breiter Platz eingeräumt und sehr anschaulich besprochen. Von den essentiellen Nährstoffen ausgehend wird der »hidden hunger« im möglichen Kontext von (Mangel-)Ernährung, Bildung, Erziehung und Landesunterschieden besprochen. Gleichermaßen deduktiv und verständlich werden die Adipositas und die Malnutrition abgehandelt. Anhand von Befunden und begründet durch vorliegende Studien, wird der Zusammenhang mit körperlicher Aktivität und Gesundheit aufgezeigt. Auf die bariatrische Chirurgie und die Chancen eines langfristig erfolgreichen Gewichtsmanagements, die Ernährung während der Schwangerschaft, der Kindheit und dem Alter, die Folgen einer ungesunden Ernährung mit ihren Konsequenzen für die weitere Lebenszeit, wird in eigenen Kapiteln, jeweils mit umfangreichen Literaturangaben eingegangen. Den Abschluss jeden Kapitels bildet eine sehr informative Schlussfolgerung, die auch dem eiligen Leser eine rasche Orientierung ermöglicht.

Im Kapitel 2 des ersten Teils wird die Bedeutung der cikadianen Rhythmen für die Gesundheit und Krankheit besprochen. Auch hier werden, aufbauend auf Bekanntes, logisch und eindrucksvoll die neuesten Erkenntnisse
über die komplexe cirkadiane Steuerung von zentralen, systemischen, organspezifischen und schließlich zelleigenen Abläufen geschildert. Die cirkadiane Kontrolle der physiologischen Abläufe im Metabolom, der Immunfunktion und der Zellproliferation wird im Zusammenhang mit der genetischen Grundlage eindrucksvoll aufgezeigt und wissenschaftlich belegt. Davon ausgehend werden die Einflüsse der Umwelt auf diese Systeme betrachtet und deren krankmachendes Potential geschildert. Verdeutlicht wird dies an den Störungen der cirkadianen Rhythmen, die bei Schichtarbeiter auftreten und Konsequenzen für die Darmikrobiota und die damit verbundenen immunologischen Folgen bis hin zur Karzinogenese und Tumorprogression haben.

Im Kapitel 3 des ersten Teils wird der Einfluss von Umweltfaktoren auf die endokrinen Funktionen besprochen und die Folgen einer Exposition zu »Endocrine disrupting Chemicals, EDC« dargestellt. EDC sind Chemikalien
oder Mischungen davon, die mit der Wirkung eines körpereigenen Hormons interagieren. Einleitend wird die staunenswerte Vielzahl der EDC und deren langfristige Gefährlichkeit durch die meist protrahiert verlaufende
Akkumulation geschildert. Das Fehlen von Frühsymptomen und die meist irreversiblen Spätfolgen werden dargestellt und anhand der zugrundeliegenden biochemischen Abläufe erklärt. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die (noch) Spekulationen über die Transgenerationen-Effekte, für die sich in Tier- und Beobachtungsstudien Hinweise finden. Für einige dieser Substanzen sind sie bereits nachgewiesen und in Zusammenhang mit neurodegenerative Erkrankungen, wie Morbus Alzheimer, gebracht worden.

In einem eigenen Kapitel werden die möglichen Zusammenhänge zwischen der Exposition zu ECDs, epigenetischen Veränderungen und Zivilisations- und Stoffwechselkrankheiten, wie Diabetes mellitus, Adipositas
und metabolisches Syndrom geschildert. Man geht von einer Störung der Methylierung aus, die biochemischen Zusammenhänge werden anschaulich besprochen.

Im zweiten Teil folgt die Beschreibung der Gen-Umwelt Interaktion und deren Folgen für die Prävalenz einiger epidemiologisch bedeutsamer Erkrankungen. Dabei stehen der Diabetes mellitus Typ II und die Adipositas an erster Stelle, denen epidemiologische Studien bereits eine deutliche Heredität bescheinigen. Die statistische Aufarbeitung der an den Kohorten erarbeiteten epigenetischen Daten zeigt, dass die Zivilisationskrankheiten nicht nur »multigenetisch« bedingt sind, wie bisher angenommen, sondern dass wesentlich mehr, ja Hunderte von Genen, involviert sind. Aus diesen epigenetischen Mustern hofft man individuelle Strategien für die Prävention, Therapie und Ernährung ableiten zu können. Diese epigenetischen Hoffnungen werden in den folgenden Kapiteln für den Diabetes mellitus, die Fettverteilung, die Adipositas, die Umwelt, die körperliche Aktivität, sowie Lebensstil (z. B. Rauchen) und Verzehrsgewohnheiten ausgeleuchtet.

Ein eigenes Kapitel ist dem Zusammenhang von Gen-Umwelt-Interaktionen und Krebs gewidmet. Überzeugende Argumente sprechen dafür, dass die (reversiblen) epigenetischen Veränderungen durch Ernährung und
Umwelt, die genetische Determinierung übertreffen. Darauf wird in dem folgenden Kapitel, das die Bedeutung der EDC beschreibt, detailliert eingegangen und die komplexen Zusammenhänge zwischen den Chemikalien
und den möglichen Gefahren für die Entstehung der mit steigender Prävalenz in den Industrienationen auftretenden Krebserkrankungen beschrieben.

Für psychische Erkrankungen ist eine genetische Veranlagung bekannt. Die genomweite epigenetische Forschung hat nun auch für diese Krankheiten epigenetische Muster nachgewiesen, die sich auf das elterliche
Verhalten beziehen lassen und auch epigenetische Muster in der Folgegeneration verursachen. Auf die Problematik dieser statistisch ermittelten Zusammenhänge zwischen psychiatrischer Erkrankung und dem
Methylierungsmuster der Gene wird hingewiesen. Besonders wird der Zusammenhang für die psychische Gesundheit, die Depression, die Schizophrenie und den Verhaltensstörungen erörtert. Hierzu wird eine kritische
Evaluierung der Gen-Umwelt-Forschung bei psychiatrischen Erkrankungen geboten, sowohl hinsichtlich der Methodologie wie auch der daraus gezogenen Schlussfolgerungen. Die Interaktion zwischen den Genen und
der Umwelt bei Autoimmunerkrankungen wird in gleicher Weise dargestellt.

Im abschließenden dritten Teil des Buches wird die Vererbbarkeit der epigenetischen Veränderungen, sowie die Rolle der nicht-codierende RNA eindrucksvoll dargestellt und wissenschaftlich sehr gut belegt.

Faszinierend ist der Aufbau des Buches, der zuerst die Felder durchleuchtet, in denen sich Epigenetik abspielt: die Steuerung unserer Gene durch Ernährung, Lebensstil und Umwelt. Schritt für Schritt wird der Leser zu
den Möglichkeiten der epigenetischen Steuerung hingeführt. So eröffnen sich immer tiefere Einblicke in die zahlreichen Möglichkeiten der epigenetischen Steuerung, die der Menschheit wahrscheinlich das Überleben
auch unter den extremen Bedingungen auf der Erde ermöglicht hat. Da die epigenetische Prägung im Gegensatz zur genetischen Determinierung steuerbar ist ergeben sich daraus Möglichkeiten für die Prävention und
die personalisierte Ernährung. Das äußerst lesenswerte Buch entspricht völlig dem Wunsch und Ziel des Autors, die Epigenetik verständlich zu machen. Damit empfiehlt sich die Lektüre für Fachleute auf dem Gebiet
der Ernährung, der Umwelt, der Genetik und der Prävention, aber auch für Ärzte, Gesundheitsberufe, Sporttherapeuten, und ebenso für gesundheitlichinteressierte Laien. Wünschenswert wäre, dass die in dem Buch
geschilderten Erkenntnisse auch die Pharmaindustrie, die Verpackungsindustrie und die Lebensmittelproduzenten erreicht, damit sie für die möglichen von ihnen verursachten Gefahren sensibilisiert werden.
Ich wünsche dem Werk die große Verbreitung, die es verdient.

 

Buchvorstellung von Olaf Adam

Quelle: Raffaele Teperino (Hrsg.): Beyond Our Genes: Pathophysiology of Gene
and Environment Interaction and Epigenetic Inheritance – CD-ROM-Version (978-3-938509-66-1)