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Fleischersatzprodukte – eine gesunde Alternative?

Autor: O. Adam

Weltweit steigt die Nachfrage nach veganen Fleischimitaten. Die Produzenten suggerieren mit ihrer Werbung, Fleischersatzprodukte machen per se eine vegane Ernährung vollwertig. Zwar darf das von den Anbietern nicht behauptet werden, aber die Claims zielen darauf ab. Beispiele sind „die gesunde Alternative zu Fleisch“ oder „…. dich bewusster ernähren“ oder „ …. damit tust Du Dir und den Meeren einen großen Gefallen!“. Besonders bei Jugendlichen kommt diese Botschaft gut an. Man muss nichts lernen, man sagt einfach „Veggi-Burger“.

Fleischersatzprodukte als „gesunde Alternative“ zu bezeichnen, ohne dass es eine einzige valide Studie über die gesundheitliche Wirkung der Langzeitanwendung dieser Produkte gibt, ist besonders für Jugendliche bedenklich, die besonders gerne diese Produkte verwenden und zu deren größten Konsumenten gehören (7). Beachtenswert ist auch das Ergebnis einer epidemiologischen Studie mit der festgestellt wurde, dass Fleischersatzprodukte von gesundheitsbewussten Veganern oder Vegetariern in geringerem Umfang verwendet werden, als von omnivoren Jugendlichen (4). Als Gründe wurden die Sorge um den Klimawandel und den gesteigerten CO2-Anfall, die unwürdige (Massen)Tierhaltung und die qualvollen Tiertransporte angegeben (2). Gesundheitliche Aspekte spielten bei der Entscheidung für oder gegen den Fleischkonsum keine große Rolle. Aus diesen Gründen kann nicht ausgeschlossen werden, dass besonders von Jugendlichen eine „vegane“ Kostform eingehalten wird, mit der in größerem Umfang diese bisher auf ihre gesundheitliche Wirkung nicht geprüften Fleischersatzprodukte zum Einsatz kommen. Dieser Beitrag fokussiert sich auf die Frage, ob der langfristige Verzehr von Fleischersatzprodukten gesundheitlich unbedenklich erscheint oder ob man unerwünschte Wirkungen nicht ausschließen kann.

Was bringt der Fleischverzicht für die Umwelt?

Ein sehr häufig angeführter Grund für den Fleischverzicht ist für Jugendliche die Sorge um die Erderwärmung, bei der CO2 den größten Beitrag leistet. Der Effekt der anderen Treibhausgase wird zusammen auf etwa die Hälfte der durch CO2 verursachten Klimaerwärmung geschätzt. Zu der anthropogenen Produktion kommt noch der CO2-Anfall bei der Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Gas. Die weiteren Treibhausgase sind das Methan aus verschiedenen Quellen wie der Rinderhaltung, dem Reisanbau, den Mülldeponien und der Erdgasgewinnung, sowie Lachgas, das vor allem aus der landwirtschaftlichen Düngung stammt. Deren Eintrag für die Erderwärmung ist weitaus geringer.

Die Nutztierproduktion ist für geschätzt 15% der anthropogenen  Emission von Treibhausgasen verantwortlich (5, 10). Nur etwa 20 Prozent des produzierten Getreides in Deutschland landet auf Tellern, circa 60 Prozent des Getreides wird als Tierfutter verwendet. Die Steigerung des Fleischertrags ist das Ziel. Getreide, speziell Mais, ist erheblich nahrhafter als grünes Gras, ist aber nicht das natürliche Futter für Kühe. Die können aus der im Mais ausschließlich enthaltenen Linolsäure (Omega-6) keine Omega-3-Fettsäure machen. Sie tragen so unverschuldet zu dem ungünstigen Omega-6/Omega-3-Quotienten in unserer Nahrung bei, da auch die aus ihnen gewonnenen tierischen Produkte defizient an Omega-3-Fettsäuren sind. Das ist aber nur einer der Gründe, warum die derzeit übliche Nutztierhaltung und die kommerzialisierte Fleischproduktion abzulehnen ist. Tatsache ist, Deutsche essen etwa doppelt so viel Produkte tierischer Herkunft, als ihrer Gesundheit guttut. Wenn also das „Zuviel“ durch pflanzliche Produkte ersetzt würde, so könnten 50% der damit verbundenen Treibhausgasemissionen eingespart werden und der Benefit für die Volksgesundheit wäre sicher. Tatsächlich weisen zahlreiche Studien darauf hin, dass Vegetarier und Veganer schlanker sind und weniger Zivilisationskrankheiten haben als Omnivore. Allerdings verwenden vegane und vegetarische Kostformen natürlich vorkommende Produkte. Damit lässt sich bei bewusster Auswahl eine gesunde und vollwertige Kost zusammenstellen. Durch Hochrechnungen wird der  vegetarischen Ernährung bescheinigt, den anthropogenen CO2-Ausstoß von durchschnittlich 1,75 Tonnen auf rund 1,4 Tonnen pro Personenjahr zu senken. Aber gelingt dies auch mit der „vegetarischen Bratwurst“? Die muss möglichst wie das Original aussehen, riechen und schmecken. Das gelingt nur durch den Einsatz massiver chemischer Umwandlungen, mit denen durch Zusatzstoffe oder Verfahren das „pflanzenbasierte Fleisch“ in die gewünschte Form und Konsistenz gebracht wird.

 

Vor dem Inverkehrbringen von veganen Fleischimitaten sollten zumindest die voraussehbaren gesundheitlichen Folgen überlegt und Produktionsprozesse hinsichtlich der Umweltfolgen geprüft werden. Es erstaunt in diesem Kontext, dass die WHO nachhaltige Lebensmittelketten für eine gesunde Ernährung und Klimaschutz fördert, bevor diese Kenntnisse vorhanden sind. Das hat, nicht immer professionelle, Start-up Unternehmen aus dem Boden sprießen lassen. Die Produktion von pflanzlichen Fleisch- und Fisch-ersatzprodukten wurde zusätzlich befeuert durch leicht einwerbbares Wagniskapital, so dass binnen weniger Monate eine schier unüberblickbare Vielfalt von Produkten auf den Markt gekommen ist. Ausgangsstoffe sind nicht nur regionale Produkte, wie Grünkern, Lupinen, Weizen, Bohnen, Erbsen, Sonnenblumenkerne. In großem Umfang kommen auch von weither transportierte Ausgangsstoffe wie Seitan, Soja, Tofu, Jackfrucht und sogar Schimmelpilze zum Einsatz, um nur einige zu nennen. Statistische Daten zum Konsum von Fleischersatzprodukten werden erst seit 2019 erhoben. Der Vergleich mit den Produktionszahlen von 2020 zeigt einen Anstieg um 37% von 60.400 Tonnen auf fast 84.000 Tonnen in Deutschland (11).

Fleischimitate sind Hightech-Produkte

Die vegane Weißwurst ist ein aufwändiges Hightech-Produkt. Um vegane Fleischimitate den Verbraucherwünschen entsprechend zu gestalten, sind Gentechnik und moderne Biotechnologie erforderlich. Diese Produkte sind weit von dem entfernt, was in den 60-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als „texturierte Proteine“ auf den Markt gekommen ist. Das waren Sojaprodukte, deren geringer Verarbeitungsgrad nur zu einem Verlust hitzelabiler Komponenten, wie Vitaminen und anderen Antioxidantien geführt hat (9). Sie erfüllten aber nicht die Anforderungen der Verbraucher an Geschmack und Aussehen. Die neuen vegetarischen oder veganen Fleischersatzprodukte wurden niemals mit dem Anspruch auf ein „gesundes Produkt“ entwickelt. Das ist auch nicht möglich, wenn man den geringen Eiweißanteil der pflanzenbasierten Milch- und Milchprodukte (12), den oft hohen Kochsalzgehalt, die Verwendung gesättigter Fettsäuren oder die Menge chemischer Zusatzstoffe bedenkt. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass die wertvollen sekundären Pflanzenstoffe in dem Endprodukt kaum noch in funktionsfähiger Form vorhanden sein können. Aus dem gesunden pflanzlichen Ausgangsstoff gehen im Fabrikationsprozess Vitamine, Antioxidantien, Spurenelemente und andere wertgebende Inhaltsstoffe verloren.

Mögliche Risiken der Fleischersatzprodukte

Fleisch ist aber auch der Hauptlieferant von Eisen, Zink, Cholin und biologisch hochwertigem Eiweiß in unserer Kost. Ein dauerhafter  Fleischverzicht lässt diese Nährstoffe durchaus leicht in das Defizit kommen. Das mit Aromastoffen und Stabilisatoren fabrizierte Imitat ähnelt äußerlich dem Fleisch oder Fleischprodukt im Aussehen und Geschmack, hat aber weder die gesunden Inhaltsstoffe von Fleisch noch die der Pflanze. Es ist kaum anzunehmen, dass damit für Jugendliche eine gesunde Kost gestaltet werden kann.

 

Darüber hinaus ergeben sich verschiedene ernährungsphysiologische Fragen. Eine betrifft die Veränderung der Tertiärstruktur der Proteine. Es ist nicht bekannt, nach unserem Wissen auch nicht untersucht, ob das in der Tertiärstruktur so veränderte Protein seine nutritiven Eigenschaften behalten hat. Es ist zudem nicht auszuschließen, dass Proteine entstehen, die nicht abbaubar sind und langfristig zu gesundheitlichen Schäden führen, wie das für Speicherkrankheiten oder dem Morbus Alzheimer bekannt ist. Ein weiteres Risiko können Rückstände aus dem Fertigungsprozess sein und die Möglichkeit von Kontaminationen des Endprodukts mit den Chemikalien des Fertigungsprozesses, schließlich der Fragenkomplex, der mit dem Einsatz von Gentechnologie im Lebensmittelsektor verbunden ist. Selbst die einfache Frage, ob die im Fleischersatz enthaltene Komposition der Aminosäuren für eine ausgewogene Versorgung von Jugendlichen geeignet ist, muss erst noch untersucht werden. Der Verdacht ist begründet, dass die Fleischersatzprodukte wenig zu einer gesunden Kost beitragen (1). Vielmehr besteht der begründete Verdacht, dass diese hochverarbeiteten Nahrungsmittel eigentlich leere Kalorien sind, von denen Jugendliche bereits zu viele in ihrer Kost haben.

Tierisch – aber kein Fleisch?

Die Sorge um die Ernährung der stets wachsenden Weltbevölkerung lässt die Forscher immer mehr neue Nahrungsquellen suchen. Um die Jahrtausendwende kamen die Insekten auf den Tisch. Fettarm und proteinreich, geröstet oder gebraten fanden sie ihren Weg in die Spitzengastronomie (8). Leider erst vor zwei Jahren wurde eine einzige Studie durchgeführt, die sich um die Bioverfügbarkeit der Insektenbestandteile gekümmert hat und kam zu dem enttäuschenden Ergebnis, dass die Insekten bezüglich dieser Eigenschaft nicht mit den Säugetieren mithalten konnten. Das Eiweiß war weniger gut bioverfügbar. Ein besonderes Augenmerk verdient das „Retorten- oder Kulturfleisch“, das aus einer Muskelstanze vom m. glutaeus trainierter Rinder im Labor gezüchtet wird. Gott sei Dank ist die Herstellung noch so teuer, dass man sich über den notwendigen Einsatz von Antibiotika und anderer unerwünschter Produktionsverfahren (noch) keine Gedanken machen muss. Dem Phythemoglobin sollte dagegen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es hält gerade Einzug in die Gastronomie. Phythemoglobin soll den Veggie-Burger durch das blutige Aussehen dem Original noch ähnlicher machen. Es hat zwar die blutig-rote Farbe, jedoch ist das Eisen daraus schlecht bioverfügbar. Es steigert aber das oxidative Potential wie das vom „roten Fleisch“ auch bekannt ist. In Deutschland ist Phythemoglobin (noch) nicht zugelassen, da es aus transgener Hefe gewonnen wird.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass sowohl pflanzenbasierte Fleischalternativen als auch neue Quellen tierischer Proteine interessante Perspektiven für die Versorgung der stets wachsenden Weltbevölkerung erkennen lassen. Leider stehen kommerzielle Interessen derzeit (noch) im Vordergrund, während gesundheitliche Aspekte in vieler Hinsicht noch nicht ausreichend Beachtung finden (3). Da die Fleischalternativen aus hedonistischen und nicht gesundheitlichen Gründen besonders von Jugendlichen konsumiert werden, sollte der Langzeitwirkung dieses Verzehrverhaltens verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Quellen:

1. Adam O.: Schadet oder nützt Fleischverzehr der Gesundheit? In: Ernährungsmedizin in der Praxis (Hrsg. O. Adam)
Loseblattsammlung Akt. Lieferung 04/2021, Kpt. 2/3.4.15 Spitta-Verlag Balingen
2. Adam O.: Wie gesund ist vegan? Der Ernährungsmediziner. 24(1):1- 3, 2022; https://daem.de/index.php/newsletter/
3. Alcorta A, Porta A, Tárrega A, Alvarez MD, Vaquero MP. Foods for Plant-Based Diets: Challenges and Innovations. Foods.
2021;10(2):293. Published 2021 Feb 1. doi:10.3390/foods10020293
4. Alexy U, Fischer M, Weder S, Längler A, Michalsen A, Keller M. Food group intake of children and adolescents (6-18 years)
on a vegetarian, vegan or omnivore diet: results of the VeChi Youth Study [published online ahead of print, 2021 Sep 13]. Br
J Nutr. 2021;1-12. doi:10.1017/S0007114521003603
5. EU-Dosier https://www.klimanavigator.eu/dossier/artikel/011998/index.php
6. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/05/PD21_N033_42.html
7. Knaapila A, Michel F, Jouppila K, Sontag-Strohm T, Piironen V. Millennials‘ Consumption of and Attitudes toward Meat and
Plant-Based Meat Alternatives by Consumer Segment in Finland. Foods. 2022;11(3):456. Published 2022 Feb 3.
doi:10.3390/foods11030456
8. Lee HJ, Yong HI, Kim M, Choi YS, Jo C. Status of meat alternatives and their potential role in the future meat market – A
review. Asian-Australas J Anim Sci. 2020;33(10):1533-1543. doi:10.5713/ajas.20.0419
9. Lexikon der Ernährung, Udo Maid-Kohnert (Hrsg.) Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin, Band 1, 2005
10. NOAA Earth System Research Laboratories (2020)
11. Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung Nr. N 033 vom 14. Mai 2021
12. Tonheim LE, Austad E, Torheim LE, Henjum S. Plant-based meat and dairy substitutes on the Norwegian market: comparing
macronutrient content in substitutes with equivalent meat and dairy products. J Nutr Sci. 2022;11:e9. Published 2022 Feb 10.
doi:10.1017/jns.2022.6