Höhere Nahrungsqualität und entschleunigter epigenetischer Alterungsprozess Gesunde Ernährungsweise und epigenetische Messung des biologischen Alters
Gesunde Ernährung (gebündelt in Scores zur Erfassung der Nahrungsqualität) ist mit einem geringeren Risiko von kardiometabolischen Erkrankungen, Krebs und Mortalität assoziiert. Die biologischen Mechanismen dieser Verknüpfung sind komplex. Die DNA-Methylierung ist hierbei die vorwiegend untersuchte epigenetische Wirkweise, wobei Lebensmittel und Nährstoffe Einfluss auf das Muster der DNA-Methylierung haben (via Änderung von Enzymaktivitäten, Substraten und Kofaktoren). Bisherige Anwendungen der DNA-Methylierung im Bereich von Kandidatengenen unterstützen einen umfassenderen Studienansatz.
Verbreitete Score-Systeme (und ihre Einzelkomponenten zur Erfassung der Nahrungsqualität) sind:
- Dietary Approaches to Stop Hypertension [DASH] Score (Gemüse, Obst, Nüsse und Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, fettarme Milchprodukte, reduzierter Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch, zuckergesüßten Getränken und Salz);
- Healthy Eating Index 2015 [HEI] (Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Gesamteiweiß, Meeresfrüchte, Pflanzenproteine, Vollkorn, Milchprodukte, Fettsäuren, verarbeitete Getreide, Salz, Zuckerzugaben, gesättigte Fette);
- Alternative Eating Index 2010 [aHEI] (Gemüse, Obst, Vollkorn, Nüsse und Leguminosen, PUFAs und Omega-3-Fettsäuren, zuckergesüßte Getränke, rotes und verarbeitetes Fleisch, Transfettsäuren, Salz);
- Alternative Mediterranean Diet [aMed] (Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Nüsse, Vollkorn, Fisch, MUFA/SFA-Relation, rotes und verarbeitetes Fleisch, Alkohol).
Eine Reihe von auf DNA-Methylierung basierenden Markern des epigenetischen Alterungsprozesses ist mittlerweile gut etabliert (Dunedin Pace of Aging Methylation [DunedinPoAm], GrimAge Acceleration [GrimAA], PhenoAge Acceleration [PhenoAA], Hannum Age Acceleration, Horvath Age Acceleration). Dabei gehen in die Berechnung blutchemische und auf Organfunktionen bezogene Parameter, aber auch Lifestyle-Daten und chronologisches Alter in unterschiedlichem Maße ein. Zwei aktuelle Publikationen widmen sich der Beziehung zwischen Nahrungsqualität (als Summe aus individueller Lebensmittelauswahl und Nährstoffen) und epigenetischem Alterungsprozess und der Frage, inwieweit Epigenetik-basierte Messungen durch Kombination vieler Einzelschritte (sog. epigenetische Uhren) geeignet sind, Aussagen über das biologische Alter zu machen.
(1) In einer populationsbasierten US-amerikanischen Untersuchung mit 1995 Teilnehmern der Framingham Heart Study (mittleres Alter 67 Jahre, F/M 55/45%) wurde die Assoziation des DASH-Scores mit den im Vollblut gemessenen Markern des epigenetischen Alterungsprozesses (DunedinPoAm, PhenoAA und GrimmAA) ermittelt. Die DNA-Methylierung wurde auf der Plattform des Illumina Infinium HumanMethylation450 BeadChip analysiert.
Von den Studienteilnehmern erfragt wurden der übliche Lebensmittelkonsum im vorausgegangenen Jahr und gemäß DASH-Score speziell der Verzehr von acht Nahrungskomponenten (s.o.). Dokumentiert wurden zudem demographische, Lifestyle- und anthropometrische Daten, Raucherstatus, Alkoholkonsum und körperliche Aktivität. Erfasst wurde als wesentlicher Outcomeparameter die Sterblichkeit jedweder Ursache während des im Mittel zehnjährigen Follow-up.
Im Ergebnis war ein höherer DASH-Score in allen drei untersuchten Messsystemen signifikant mit niedrigeren (Bereich 22-45%) Markern des epigenetischen Alterungsprozesses verknüpft. Insbesondere bei Rauchern (auch ehemaligen Rauchern) war die Assoziation sehr ausgeprägt, im Übrigen schnitten weibliche Studienteilnehmer, solche mit geringerem Alkoholkonsum, niedrigerem BMI, fehlendem Hinweis auf Bluthochdruck und höherem HDL-Cholesterin besser ab. Zwischen der höchsten und niedrigsten DASH-Quartile war die epigenetische Altersakzeleration (gemessen nach GrimmAA und PhenoAA) um 1,04 bzw. 1,18 Jahre unterschieden. Bezüglich der Sensitivität der Scoresysteme waren DASH, aHEI und aMDS nicht different.
Zusammenfassend fand sich damit (unter Verwendung der sog. Second-Generation-Marker mit Einschluss klinischer und funktioneller biochemischer Daten) eine strenge Assoziation zwischen höherer Nahrungsqualität und einer Reduktion von auf der DNA-Methylierung basierenden Markern des epigenetischen Alterns, besonders ausgeprägt bei Rauchern. Höherwertige Ernährung verzögert also den Alterungsprozess, eine Erkenntnis, die in ergänzenden Interventionsstudien zu untermauern wäre und zu detaillierteren, auch auf einzelne Lebensmittel bezogene Ernährungsempfehlungen beitragen könnte.
Nach Einschätzung der Autoren der Studie beruht die Assoziation zwischen höherer Ernährungsqualität und einer Entschleunigung des epigenetischen Alterns wahrscheinlich auf einer Reduktion von oxidativem und inflammatorischem Stress. Die Beziehung eines beschleunigten epigenetischen Alterungsprozesses mit biochemischen Entzündungsmarkern und postprandialen Fettwerten ist nachgewiesen. Nach Metaanalysen sind bioaktiv wirksame Komponenten u.a. MUFA, PUFA, phenolische Verbindungen, Tokopherole und Carotinoide.
(2) In einer weiteren Studie wurde der Frage nachgegangen, ob gesundes Essen mit dem biologischen Alter assoziiert ist, soweit die DNA-Methylierung als Messbasis dient. In dieser Studie wurden neben dem DASH-Score der Healthy Eating Index [HEI], der Alternative Eating Index [aHEI] und die Alternative Mediterranean Diet [aMed] berücksichtigt.
Eruiert wurde bei 2694 Frauen (Alter 35-74, im Mittel 56 Jahre) der Sister Study (Studie zum Brustkrebsrisiko bei biologischen Schwestern) wiederum der durchschnittliche Nahrungsverzehr im vorausgegangen Jahr. Die genomweite DNA-Methylierung wurde wiederum in Vollblutproben mittels HumanMethylation450 BeadChip analysiert, es erfolgten vier unterschiedliche Messungen der epigenetischen Altersakzeleration (Hannum AgeAccel, Horvath AgeAccel, PhenoAgeAccel, GrimAgeAccel). Ziel war die Erfassung von Assoziationen zwischen Verzehrsgewohn-heiten und ermitteltem biologischen Alter.
Im Ergebnis zeigten alle vier Indizes gesunder Ernährung inverse Assoziationen mit der epigenetischen Altersakzeleration, am ausgeprägtesten bei Frauen mit nur geringer, nicht leitliniengerechter körperlicher Aktivität (< 2,5 Stunden pro Woche). Dabei waren die verschiedenen Ernährungsindizes untereinander vergleichbar, am stärksten ausgeprägt war die Korrelation zwischen DASH- und HEI-Score. Höhere Ernährungsqualität war nur schwach assoziiert mit epigenetischen Uhren zur Vorhersage des chronologischen Alters, aber stark invers assoziiert mit epigenetischen Uhren zur Vorhersage der Mortalität.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass eine höhere Ernährungsqualität invers assoziiert ist mit der methylierungsbasierten Messung des biologischen Alters. Eine Verbesserung der Ernährung entfaltet den größten Effekt im Sinne einer Minderung des biologischen Alters bei Frauen mit nur geringer körperlicher Aktivität.
Frühere Untersuchungen der Beziehung zwischen Ernährung und methylierungbasierter Bestimmung des biologischen Alters hatten sich auf individuelle Nahrungsmittel fokussiert. Hierbei waren – abhängig von der Messmethode – die konstantesten positiven Assoziationen für den Verzehr von rotem Fleisch aufgefallen, bei Frauen die weniger konstanten negativen Assoziationen für Obst und Gemüse.
W. Burghardt
(1) Kim Y, Huan T, Joehanes R, McKeown NM, Horvath S, Levy D, Ma J. Higher diet quality relates to decelerated epigenetic aging. Am J Clin Nutr 2022; 115: 163-170.
(2) Kresovich JK, Park YMM, Keller JA, Sandler DP, Taylor JA. Healthy eating patterns and epigenetic measures of biological age. Am J Clin Nutr 2022; 115: 171-179.